Weihnachten für die Katz

 

Unser Kater Max hatte ein recht ambivalentes Verhältnis zu Weihnachten. Einerseits liebte er die alte Krippe, die jedes Jahr unter dem Christbaum stand. Die Krippe war seine Höhle. Mit seinen 15 Kilo passte er gerade so in die kleine Holzhütte, was er als sehr gemütlich empfand. So gut gepolstert wie er war, störte es ihn auch nicht, sich auf die heilige Familie samt Ochs und Esel und vereinzelter Schafe, sich einfach auf die Figuren drauf zu legen. Hauptsache, er hatte seine Höhle. Genauso begeistert war er von seinem Weihnachtsgeschenk. Jedes Jahr bekam er frische Kieler Sprotten, die er so unwiderstehlich fand, dass kurzzeitig das Wildtier in ihm durchkam. Um potenzielle Futterdiebe abzuschrecken – zum Beispiel unseren Dackel Moritz, der sich allerdings  nicht im geringsten für Räucherfisch interessierte, fauchte Kater Max mit voller Lautstärke, während er sein Geschenk in die Weihnachtskrippenhöhle zog, um es dort genüsslich zu verzehren. Wer sich währenddessen in die Nähe des Christbaums und der Krippe wagte, riskierte zumindest offene Wunden, wenn nicht mehr.  Der Dackel war in einem Jahr recht unvorsichtig. Das hat er so schnell nicht vergessen. Was wir draus gelernt haben: An Heiligabend einen Tierarzt in Bereitschaft zu finden, ist kein leichtes Unterfangen.

 

Was Kater Max an Weihnachten partout nicht ausstehen konnte, noch weniger, als wenn man ihn bei seinen Kieler Sprotten störte, das war jeglicher Christbaumschmuck. Er hasste Lametta und alles, was glitzerte und glänzte. Grundsätzlich. Viele unserer Kugeln waren Erbstücke und fast hundert Jahre alt. Das störte ihn wenig, als er eine nach der anderen mit einem gekonnten Pfotenschwung vom Baum schubste, so dass sie laut auf dem Fußboden zerplatzten. Die Mama davon abzuhalten, den Kater zu erwürgen, um ihr weihnachtliches Erbe zu retten, war nicht immer leicht. So einigte man sich auf einen Kompromiss. Die guten, alten Kugeln wurden nur noch weit oben in den Baum gehängt, im unteren Teil, rund um die Krippe, hingen Kugeln aus dem Kaufhaus, um die es nicht so schade war.

 

Während die Mutter am ersten Weihnachtstag mit der Zubereitung des Gänsebratens beschäftigt war und mein Vater und ich sämtliche Tanten mit dem Auto abholten, konnte Max ungestört die Kugeln rund um seine Höhle entfernen. Nachdem wir die Scherben zusammengekehrt und alle an der festlichen Tafel Platz genommen hatten, kümmerte sich keiner mehr um den Kater. Der wollte es jetzt aber wissen. Er nahm Anlauf und setze vom Sofa aus zum Sprung an in die höheren Regionen des Christbaums, wo noch vereinzelte, verhasste Glitzerkugeln hingen. Ein 15 Kilo schwerer Kater, noch dazu mit Anlauf, erzielt bei der Landung im oberen Bereich eines Christbaums eine nicht zu unterschätzende Hebelwirkung. Schon lag der Christbaum, begleitet von großem Krachen und Scheppern,  mitten auf dem Esstisch. Ein Ast landete in der Sauciere, worauf sich deren fettiger Inhalt komplett über mein Weihnachtsgeschenk, ein Seidenhemd, ergoss. Ich war nicht sehr traurig darüber, dass das edle Teil nach nur drei Stunden Benutzung ruiniert war, denn eigentlich hatte ich  mir ausschließlich Videospiele gewünscht. Überhaupt war niemand traurig über den Christbaum im Gänsebraten, im Gegenteil. Max‘ Stunt gab Anlass zum größten Lachkrampf der Familiengeschichte. Wir verdanken dem geisteskranken Haustier ein unvergessliches, frohes Fest. 

 

Ich wünsche Euch allen lustige Feiertage voller Liebe. Bis zum nächsten Mal im neuen Jahr!